An der Werkzeugkiste Links, ein Erfahrungsbericht

An der Werkzeugkiste links

Ein Erfahrungsbericht von Naemi Reymann

Endlich ist es soweit: Das ganze Gerödel ist angezogen und gecheckt, auch beim Mittauchenden. Schwer bepackt geht es den Hang hinab zum See. Es wird nicht mehr lange dauern, bis man die ganze Erdenschwere im Wasser verliert. An der Wasserkante sehen wir, dass der See wieder etwas Wasser eingebüßt hat. Die kleinen Inseln zur Rechten sind etwas größer geworden – verliert er noch mehr Wasser würden es wieder zwei Seeflächen werden – zur Linken lässt sich die Boje blicken. Noch ist einem warm, das ändert sich schlagartig ab dem Zeitpunkt, an dem das Wasser anfängt in den Neoprenanzug zu laufen.

Naemi im See

Brrr. Maske nass machen und aufsetzen und dann die Krepelei mit den Flossen unter Wasser – wie machen das bloß die anderen, diese Biester so schnell anzuziehen? Bloß stramm genug festziehen – eine verlorene Flosse käme nicht so toll – am Anfang eine meiner Hauptsorgen, neben der, einen Krampf in die Wade zu bekommen und dem permanenten Gucken, ob man alles richtig macht. Harry gibt mir das Zeichen zum Abtauchen und es geht hinunter. Am Anfang ist es echt ungewohnt. Beim ersten Tauchgang im See war es einfach nur kalt und dunkel, begleitet von ungewohnten Gluckergeräuschen. Als Landsäugetier hat man da unten doch einfach nichts zu suchen, oder etwa doch? Die Neugier treibt einen voran. Das, was einem zu Beginn schwierig erscheint, bekommt man allmählich den Griff: das Austarieren, der richtige Abstand zum Tauchpartner, das spurlose Tauchen ohne sich in den Pflanzen zu verheddern oder den Grund aufzuwirbeln. Und dieses Spazieren unterwasser macht immer mehr Spaß, weil man sich mehr und mehr auf seine Umwelt konzentrieren kann. Schon seltsam angenehm, dass man sich als Taucher zum ersten Mal in seinem Leben entspannt an einem Abhang bewegen kann 🙂

Hecht

An einem dieser Abhänge scheint es zum Beispiel so, als würden kleine Hechte eine Wiese abweiden, und man kann einfach darüber hinwegschweben. Wie Fliegen unterwasser. Toll! Und die Routen in unserem See lernen wir auch immer besser kennen – anhand von Wegmarken. Es sind Spuren der Arbeit. Röhren, ein Ölfass, ein Getriebe einer alten Lore, ein Container. An einer Stelle sieht es aus, als hätte jemand nach dem Renovieren Teppichrollen liegengelassen – beim genauen Hinsehen entpuppen sich diese als Förderbänder. Manches ist unförmig geworden, vor lauter Algenbehang. Erinnerungen an Filme von Jaques Cousteau mit seiner Calypso kommen bei mir hoch. Also ist man jetzt gerade zum Tiefseeforscher geworden. Da, was ist das? Ein Container erscheint, behangen mit Grünzeug, an der Kante kann man sich gut festhalten und klären, was gemacht soll, denn der Container bedeutet meistens für uns Tauchschüler Aktionsfläche zum Trainieren: z.B. geregeltem Aufstieg.

Orientierung bietet dabei das Stahlseil, an dessen Ende die Boje hängt. Aha, hier sind wir also im See. Hier wird auch das Anschwimmen des Tauchpartners ohne Verwendung des Atemreglers geübt. Luft einatmen, raus mit dem Regler und Kurs auf Harry, Zeichen für »Hab keine Luft« machen und sich den Octopus von ihm schnappen. Klappt ja prima. Im Gegensatz zum Tarieren in bestimmten Tiefen, das ist am Anfang ganz schön tricky! Weiter zur nächsten Beobachtung, wir haben Glück, heute ist wunderbare Sicht, unterwasser scheint sogar die Sonne. An den Blättern der Pflanzen spiegeln die kleinen Luftblasen das Licht wieder. Es ist wie verzaubert. Harry hat seine Filmkamera dabei, ich habe mich mit einer wasserdichten Einwegkamera versorgt. Das Forscherteam beobachtet jetzt eine große Teichmuschel, die weißlich vor sich hinsabbert. Weiter geht es zur Uferkante, wo einige Büsche halb im Wasser stehen. Unterwasser sieht das eher aus wie eine grüne Blätterhöhle.

Teichmuschel

Zu gerne würde ich jetzt mal eine Ente von unten sehen mit ihren charakteristischen Schwimmfüßen. Aber wir bekommen andere Tiere zu sehen, denn diese Stelle finden die Barsche ziemlich klasse und treiben sich dort herum. Prima, das finden wir nun klasse – erster Kontakt mit größeren Fischen im See! Harry verfolgt mit der Kamera in der Hand den einen Barsch um die Ecke. Ob die das immer noch klasse finden? Corinna, Thommy und ich bleiben etwas zurück und gucken ihm dabei zu. Der Barsch ist schneller und macht sich von dannen.

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Die andere Tauchgruppe hat etwas mehr Glück mit großen Fischen, denn sie haben Rainer dabei, den Karpfenmagneten. Wie macht es dieser Mann bloß, dass er eine so große Anziehungskraft auf große Karpfen hat? Hat er etwa doch einen Lockstoff oder Futter dabei? Wir sehen von den Karpfen nur einen Rest des gezackten Rückens. 

Laut Murphy’s Gesetz kommt man sich immer an der engsten Stelle entgegen – das ist unterwasser auch nicht anders und so halten wir still und lassen die andere Gruppe an uns vorbeiziehen. Man gibt einander Unterwasserhallos, die Sache mit den Karpfen und die obligatorische Fachsimpelei über die Größe der gesehen Fische wird später an Land geführt werden müssen 🙂 
Kehrtwende und wieder zurücktauchen, die andere Route nehmen. Wir kommen am Ponton vorbei – ausgeguckt als guter Platz für Bergeübungen – na, gut dann eben heute nicht! – weiter geht es. Das kann doch nicht war sein! Nach dem Ölfass erscheint etwas, das man unschwer als Werkzeugkiste erkennen kann!
Hat die der kleine Wassermann hier vergessen, oder was? Und da, noch etwas ungewöhnliches. Tatsächlich ein Gartenstuhl.

Karpfen

Die WerkzeugkisteSteht da einfach so herum und wartet darauf, wieder benutzt werden. Zu seinem Leidwesen scheinen aber nur kleine Muscheln und Grünpflanzen an ihm Gefallen gefunden zu haben. Und das noch nicht lange genug, denn seine charakteristische Form hat er immer noch behalten. Wieviel Druckluft ist noch da? Aha, weniger als einhundert Bar zeigt das Anzeigeglas, also ist Umkehren angesagt – wieder vorbei am Ponton. Diese Stelle fand ich bei meinem bis jetzt ersten Nachttauchgang spannend – wir konnte nur mit Hilfe der mitgenommen Lampen sehen und an dieser Stelle haben wir sie mal ausgemacht und uns versteckt. Versteckt vor den anderen Tauchgruppe, deren grüne Lichter allmählich immer näher kamen. Ich kam mir vor wie ein Unterwasserspion auf Erkundungsgang. 007 lässt grüßen! Hätte ich nicht gedacht, dass das Tauchen so viele Gedankenspielereien zulässt, mir macht so etwas großen Spaß.

Nur darf es nicht zu kalt sein. Der für mich letzte Baggerseetauchgang, verbunden mit letzten Bronzeübungen mit Bernhard, dem frischgebackenen Tauchlehrer (an dieser Stelle noch einmal einen herzlichen Glückwunsch dazu!), weckte Erinnerungen an Schlittenfahren in der Kindheit – dieses ungute Gefühl, erst nach zehn Minuten seine Fußsitzen wieder zu fühlen. Immerhin wurde dieser kalte  letzte Tauchgang belohnt mit dem Anblick einer kleinen Meduse, einer Süßwasserqualle.

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Und jetzt? Jetzt ist die (Neu-)gier da nach großen bunten Fischen und Pflanzen, den farbenfrohen Korallen in einer richtig kitschigbunten Unterwasserwelt. Der Welt von denen die anderen Taucher alle so schwärmen.
Und auf das, was Harry mal in einer Mail geschrieben hatte »Abtauchen, abschalten, unendliche Weiten, schweben, den Geist des Wassers atmen…«.
Ich freu‘ mich schon auf die nächste Saison!

Naemi Reymann