Jugend-Umweltprojekt „Neurather See“ 2014
Ein Bericht von Harald Meisner
In diesem Jahr reichte die Tauchsportgemeinschaft Grevenbroich das Jugend-Umweltprojekt „Neurather See“ beim Wettbewerb „Sterne des Sports“ des Deutschen Olympische Sportbundes (DOSB) und der Volksbanken Raiffeisenbanken ein. Leider findet der Wettbewerb allerdings in diesem Jahr wegen zu geringer Beteiligung nicht statt, so dass unser Projekt erst im nächsten Jahr berücksichtigt wird. Aber es geht ja auch nicht nur um den Wettbewerb 😉
Das Projekt fand statt in Kooperation mit der Stadt Grevenbroich und dem Schneckenhaus Grevenbroich. Unser Dank gilt insbesondere dem Umweltschutzbeauftragten der Stadt Grevenbroich Herrn Norbert Wolf, der unser Projekt erst möglich gemacht hat.
Ausserdem danken wir recht herzlich der Sparkasse Neuss, von der wir im Rahmen der Ausschüttung der Zweckerträge der Sparkassenlotterie „PS-Sparen und Gewinnen“ für gemeinnützige Zwecke eine Spende zur Finanzierung der von uns verwendeten Mikroskope und einer USB Kamera für die Mikroskopie erhielten.
Wir wollten zusammen mit unseren tauchenden Jugendlichen unter Anleitung durch unseren Vereins-Biologen Dr. Markus Eßer (promovierter Süßwasserbiologe) den Neurather See biologisch kartieren, um zu zeigen:
„Was kann aus einem Restloch des Braunkohletagebaus werden? Lebloser Tümpel, oder wertvolles Biotop für die Region?“
Neben der praktischen Ausübung des Tauchsports möchten wir unsere Kinder und Jugendlichen für die Ökologie der heimischen Seen sensibilisieren und sie in die Lage versetzen, eigenständig mit wissenschaftlichen Methoden und Geräten (Probennahme, Mikroskopie, Benutzung von Bestimmungstabellen etc.) zu arbeiten und einen tieferen Einblick in das Leben im See zu erhalten. Im Juni und Juli haben die Tauchgänge zur Probennahme unter fachlicher Leitung unseres Limnologen stattgefunden. An verschiedenen Stellen des Sees wurden von unseren jugendlichen Tauchern in Begleitung erfahrener erwachsener Taucher Bodenproben und Steine vom Seegrund, Proben aus dem Pflanzengürtel und dem Freiwasser sowie von Blättern und Totholz aus dem See entnommen.
Aus diesen Proben wurden die dort lebenden Organismen abgesammelt und in Behälter überführt, die zur näheren Untersuchung mit ins Schneckenhaus Grevenbroich genommen wurden. Dort haben wir unser Equipment, Mikroskope, Kameras etc. aufgebaut, an denen die Kinder und Jugendlichen mit Unterstützung durch unseren Biologen und einiger erwachsener Helfer mit speziellen Bestimmungstabellen die Arten der Organismen bestimmt und die Anzahl der Individuen der jeweiligen Art ausgezählt haben. Anhand festgelegter Leitorganismen, die eine Indikatorfunktion für die Bestimmung der Gewässergüte haben, und deren Anzahl und des sogenannten Indikationsgewichtes wird mit einer mathematischen Formel der Saprobienindex ermittelt, der die Gewässergüte eines Gewässers widerspiegelt.
Die Bestimmung des Saprobienindexes hat eine Gewässergüteklasse von II-III (mäßig belastet, mesosaprob) ergeben. Diese Methode wurde eigentlich für Fließgewässer entwickelt, wird aber auch „hilfsweise“ für stehende Gewässer angewendet und ist für einen Kurs, der zum Ziel hat, Jugendlichen ein Verständnis von Ökologie zu vermitteln, besonders geeignet.
Um den wissenschaftlichen Wert des Ergebnisses zu vergrößern, wurde dieses Ergebnis durch weitere chemisch-physikalische Untersuchungen ergänzt. Hierzu wurden die chemisch-physikalischen Parameter von Wasserproben aus verschieden
Tiefen ermittelt (pH- Wert, Phosphatgehalt, Nitrat, Nitrit und Ammonium).
Diese Teilergebnisse haben eine Gewässergüteklasse von I (gering belastet, oligosaprob) ergeben, die im Gewässergütesystem eine Stufe über der des ermittelten Saprobienindexes liegt.
Die Werte im Detail:
Oberflächenwasser:
Phosphat: < 0,005 mg/l
Ammonium: < 0,02 mg/l
Nitrat: nicht nachweisbar
Nitrit: nicht nachweisbar
pH Wert: 7,8
Wassertiefe 4m:
Phosphat: < 0,005 mg/l
Ammonium: 0,3 mg/l
Nitrat: nicht nachweisbar
Nitrit: nicht nachweisbar
pH Wert: 7,8
Wassertiefe 8m:
Phosphat: < 0,005 mg/l
Ammonium: >0,02 mg/l
Nitrat: nicht nachweisbar
Nitrit: nicht nachweisbar
pH Wert: 7,6
Kombiniert betrachtet, dürfte die Gewässerqualität des Neurather Sees an der Grenze zwischen der Wassergüteklasse I und der Wassergüteklasse II eingeordnet werden.
Letztlich haben wir dann noch die Pflanzenwelt (Makrophyten) betrachtet. Auch in der Pflanzenwelt gibt es Indikatoren für die Wasserqualität. Hierzu wird die Häufigkeit von bestimmten Makrophyten (Pflanzen, die mit dem bloßen Auge sichtbar sind) erfasst. In einer Tabelle sind 44 Pflanzenarten in 9 Indikatorgruppen (1-5 in 0,5er Schritten) eingeteilt. Indikatorgruppe 1 fasst die Arten zusammen, die eine geringe Nährstoffbelastung eines Gewässers anzeigen und Indikatorgruppe 5 beinhaltet Pflanzen, die eine sehr hohe Belastung eines Sees anzeigen. Durch die Ermittlung der Verteilung und Häufigkeit dieser Pflanzenarten im See kann ein sogenannter Makrophytenindex ermittelt werden, der dann auch die Gewässergüte angibt. Dieses Verfahren ist jedoch sehr aufwändig und hätte den Rahmen unseres Projektes gesprengt. So haben wir nur eine grobe, nicht exakt quantitative Betrachtung der vorkommenden Pflanzenarten vorgenommen, um unsere Ergebnisse aus den obigen beiden Verfahren weiter zu bestätigen.
Ca. 80% der Pflanzen, die im von uns betauchten Bereich des Neurather Sees beobachtet werden konnten, gehören zur Indikatorgruppe 2,5-3. Dominierend sind hier die Armleuchterlagen. Pflanzenarten, die eine eher schlechte Wasserqualität anzeigen, wie das krause Laichkraut oder die Wasserpest, haben wir nur sehr vereinzelt angetroffen.
Betauchte Bereiche und Beobachtungen:
Im südwestlichen Uferbereich mit eher sandigem Untergrund ist im Bereich zwischen 1 und 2 Meter Wassertiefe an vielen Stellen ein ca. 2-3 Meter breiter Pflanzengürtel von kammförmigem Laichkraut anzutreffen.
Das südliche Ufer ist eher von kiesiger, teils lehmigere Beschaffenheit und weist viele teils steile Abbruchkanten auf, an denen die Uferböschung wohl abgerutscht ist.
Nahezu im gesamten betauchten Bereich finden sich zwischen 4 und 5 Meter Wassertiefe ausgedehnte „Wiesen“ von Armleuchterlagen von denen wir 3 verschiedene Arten bestimmen konnten:
Gemeine Armleuchteralge (Chara vulgaris)
Zerbrechliche Armleuchteralge (Chara globularis)
Gegensätzliche Armleuchteralge (Chara contraria)
In diesem Bereich befand sich im Bodengrund der größte Anteil an Faulschlamm und ein höherer Ammoniumgehalt als in den anderen Tiefen.
Eine deutliche spürbare Sprungschicht trafen wir bei ca. 8 m Wassertiefe an. Unterhalb dieser war kaum noch Vegetation anzutreffen.
Die Sichtweite betrug zwischen 3 und 6 Metern und wurde Richtung Norden eher schlechter.
Die beste Sichtweite trafen wir am südlichen Ufer an. Die Wassertemperatur betrug bis zur Sprungschicht relativ konstant 20-21°C.
Neben den Indikatororganismen haben wir uns natürlich auch alle anderen „Seebewohner“ angeschaut, die uns „ins Netz gingen“. Hier stießen wir auf eine recht große Artenvielfalt.
Beobachtet werden konnten:
Wasserasseln, Wassermilben, Wasserkäfer und ihre Larven, Wasserflöhe, Muschelkrebse, Zuckmückenlarven, verschiede Arten von Libellenlarven, Köcherfliegenlarven, Steinfliegenlarven, Eintagsfliegenlarven, Fischegel, Plattegel, Schneckenegel, Strudelwürmer (Planarien), Schlammröhrenwürmer (Tubifex), Fadenwürmer, Glockentierchen, Ohrschlammschnecken, Spitzschlammschnecken, Schnauzenschnecken, Quellblasenschnecken, Posthornschnecken, Kaulquappen, Flussbarsche, Spiegelkarpfen, amerikanische Flusskrebse (Kamberkrebs), Wandermuscheln, Körbchenmuscheln.
Wie in den meisten heimischen Gewässern finden sich in dieser Liste leider auch „eingewanderte“ Arten, die eigentlich nicht zur heimischen Fauna gehören, sogenannte Neozoen, die teils heimische Arten verdrängen, wie die Wandermuschel, die Körbchenmuschel und der Kamberkrebs. Letzterer überträgt die Krebspest, die die heimischen Edelkrebse nahezu vollständig dezimiert hat.
Im Uferbereich des Neurather Sees konnten außerdem etliche seltene Vogel- und Pflanzenarten wie der Eisvogel und der Teichrohrsänger gesichtet werden.
Abschließend kann die Fragestellung:
„Was kann aus einem Restloch des Braunkohletagebaus werden? Lebloser Tümpel, oder wertvolles Biotop für die Region?“
eindeutig beantwortet werden. Der Neurather See weist eine gute, gering bis mäßig belastete Wasserqualität auf, beheimatet viele Tier- und Pflanzenarten und ist offensichtlich ein Rückzugsgebiet für teils selten gewordene Vogelarten.
Fazit der ca. 20 beteiligten Kinder und Jugendlichen zwischen 10 und 16 Jahren: Eine Menge Spaß gehabt und viel dabei gelernt.
Cedric J. (14 Jahre) meinte dazu: Ich fand die Tauchgänge gut, das Wasser war überraschend warm und klar. Die Sicht war gut und im Pflanzengürtel, wo es nicht so tief war, haben wir viele Jungfische gesehen. Das Einsammeln der Proben war interessant, aber ich habe es mir einfacher vorgestellt.