Arktis/Grönland 2001
Ein Reisebericht von
Christa und Wolfgang Fiedler
Eisberge, Gletscher und Mitternachtssonne, seit Jahren zog es uns zu diesen Naturgegebenheiten.
Im Juni dieses Jahres sollte es soweit sein, nach Grönland, nördlich des Polarkreises und ins Land der Schlittenhunde. Für Grönland ist zu dieser Zeit Sommer und die Sonne scheint bis zu 24 Stunden. Ferner sind die Seestraßen in etwa eisfrei. Eine Reise über Land wurde gesucht, gebucht, bezahlt und: Zwei Tage vor der Abreise erhielten wir die Mitteilung, dass das Bodenpersonal auf dem Flughafen in Grönland streikt und kein Vogel ein oder ausgeladen wurde. Wir entschieden uns kurzfristig für eine Reise mit dem Schiff, Abfahrt 14 Tage später, Termin 16.07.01. bis 24.07.01.. Obwohl die Tour etwas kürzer war, haben wir diesen Wechsel nicht bereut. Im Gegenteil, nachträglich ist festzuhalten, dass wir die Erlebnisse vom Schiff aus viel intensiver aufgenommen haben. Das betrifft insbesondere die Eisberge. Da auch alle markanten Punkte aus der Landtour ebenfalls und viel besser mit dem Schiff anfahren werden konnten, ist der Erlebniswert für uns viel höher anzusetzen.
Vermittler war die Geomare – Reiseagentur, mit ihrer Chefin Ursula Best.
Unsere Route
Die Anreise erfolgte über Kopenhagen nach Kangerlussuaq. Weiter ging es mit dem Geländewagen zum Hafen (20 Km) und Einschiffung mit Schlauchbooten auf die MS BRAND POLARIS.
Die Route des Schiffes ging über die Diskobucht hinaus, bis nach Uummannaq. Es ist das Gebiet mit einigen der aktivsten Gletscher der nördlichen Halbkugel. Die Chancen, die „Geburt“ eines Eisberges zu erleben, bekannt unter dem Begriff „Kalben“, stehen dort nicht schlecht. Die täglichen Ausflüge vom Schiff waren jeweils die beste Gelegenheit, Land, Kultur, Fauna und Flore, sowie die freundlichen Grönländer kennenzulernen.
Expeditionsleiter war der Südafrikaner Conrad Combrink. Hinzu kamen weitere Helfer wie Christian Walter, zuständig für Anthropologie und Geschichte und Sonja Heinrichs, eine Meeresbiologin. Beide konnten wir als qualifizierte und fachkundige Wissenschaftler und Lektoren kennen lernen. Auch auf den Exkursionen waren sie stets angenehme Ansprechpartner für Auskünfte in allen Bereichen. Weiterhin zu benennen ist die Grönland Expertin Lene Jaspersen, das Mädchen für Alles.
Unser Schiff
Die Brand Polaris lief vorher unter dem Namen Sherwater. Es ist ein Expeditionsschiff der Eisklasse 1A1. Dies ist die höchste Kategorie vor den Eisbrechern. Mit einer Länge von 70,5 mtr. und einer Breite von 13,5 mtr. kann es 96 Passagiere bei 20 Mann Besatzung aufnehmen. Bei unserer Fahrt war es mit 53 Passagieren belegt. Die erreichbare Geschwindigkeit sind 12,5 Knoten. Die Brücke war jederzeit für die Gäste offen. Eine Kleiderordnung gibt es auf solchen Schiffen nicht. Dafür ist eine zweckmäßige Kleidung an Bord und an Land angesagt. Die festen Wanderschuhe waren dabei ein MUSS.
Sisimiut (Fuchsbaubewohner)
Der nördlichste, ganzjährig eisfreie Hafen in Westgrönland, war unser erstes Ziel. Er ist Walfangstation und Handelshafen für Garnelen, Lachs und Heilbutt, die angelandet werden. Der Ort selbst ist die zweitgrößten Stadt Grönland. Bei der Stadtbesichtigung ging es zur ältesten Holzkirche Grönlands und zum Museum, vorbei am Friedhof mit seinen immer frischen und bunten Plastikblumen. Auf dem Markt wurde Wal- und Robbenfleisch, Wandersaibling und Lachs angeboten. Dazwischen überall angekettete Schlittenhunde. Eine Wanderung führte uns zur Tele-Insel mit alte Gräbern, Ruinen und Torfhäuser, die nur noch an den Grundrissen zu erkennen waren.
Die grönländischen Schlittenhunde
Im Winter sind sie Zugtier und Jagdgehilfe. Im Sommer haben sie Ruhepause oder es wird für den Nachwuchs gesorgt. Teilweise werden sie auf vorgelagerte kleine Inseln ausgesetzt. Damit haben sie bis zu Winter Zeit, bereits eine Rangordnung auszufechten, die später im Gespann sorgfältig beachtet wird. Nur während der ersten 4 Monate ihres Lebens werden die Welpen sorgfältig aufgezogen und teilweise mit ins Haus genommen oder dienen den Kindern als Spielzug. Danach leben sie nur noch im Freien. Ansonsten haben die Grönländer keine sentimentale Beziehung zu den Tieren.
Qeqertarsuaq (große Insel)
Schon vor Einfahrt in die Bucht gab es die ersten Eisberge. Da es keinen brauchbaren Landungssteg für unser Schiff gab, erfolgte die Ausbootung mit den Schlauchboten. Qeqertarsuaq ist der einzigste Ort auf der Disko-Insel und ehemaliges Walfangzentrum. Die 1100 Einwohner leben noch heute hauptsächlich vom Fischfang und von der Jagd.
Durch eine Torbogen aus Finnwal-Kieferknochen betraten wir die Insel. Der Ort ist umgeben von Basaltbergen und bietet sehr schöne Ausblicke auf das Meer und auf die Eisberge in dieser Region. Bei dem Stadtrundgang sahen wir die außergewöhnlich gestaltete achteckige Kirche, von den Einheimischen “Gottes Tintenfass“ genannt. Dazwischen dösten Schlitterhunde und auf Gestellen glänzten Streifen von Grönlandhai oder Robbenteilen, die dort zum Trocknen hingen und den Hunden für die nächste Zeit als Futter dienen.
Nach einem Stadtrundgang ging es auf eine Wanderung ins Blaesedal-Tal. Auf Weg durch die arktische Tundra entdeckten wir viele botanischen Sonderheiten der Region. Dazu gehörte auch die Nationalblume von Grönland, das Weidenröschen. An einem Wasserfall ging es dann auf einem etwas anderen Weg zurück.
Uummanaq/Qilakitsoq
Auf dem Weg zu diesem Ort schlängelte sich das Schiff langsam durch die vielen Eisberge. Da wir den 70. Breitengrad in nördlicher Richtung überquert hatten, ging die Sonne auch nicht mehr unter. Bis weit nach Mitternacht standen wir auf Deck und bewunderten die an uns vorbeiziehenden und in magischem Licht getauchten Eisberge, einer schöner als der andere. Langsam wurde es heller und die Eisberge immer größer.
Zwischenstation war Qilakitsoq. Nach Anlandung mit dem Schlauchboot besichtigten wir den Fundort der berühmten Inuit-Mumien aus dem Jahre 1475. Dort oben stehen hatten wir einen sehr beeindruckenden Ausblick auf treibende Eisberge in der Bucht vor Uummanaq. Auch einen kalbenden Eisberg konnten wir beobachten. Für kleine Boote und damit auch für Schlauchboote sind solche Situationen äußerst gefährlich, die man nach Möglichkeit in einem großen Bogen umfährt, da kurzfristig mehrere Tonnen Eis das Wasser verdrängen und damit für erhebliche Wasserbewegungen sorgen.
Uummanaq
Das Städtchen liegt am Fuße eines 1170 m hohen Berges und es war der nördlichste Ort, den war besuchten. Sehenswert in der Stadt waren die Kirche und das Museum, in dem Kajaks, kunstvoll bestickte Trachten, alte Gebrauchsgegenstände, Rentiergeweihe, Walbein und Walrosszahn ausgestellt waren. Aber auch die gesamte Umgebung war sehr reißvoll. Anschließend ging es bei einer landschaftlich schönen Wanderung zum Haus des „Weihnachtsmannes“. Für den Rückweg zum Schiff nahmen war das Schlauchboot. Dabei durchfuhren wir unzählige Eisberge und über Eisgries. Zusätzlich wurde ein kleiner Eisberg eingefangen, am Schlauchboot befestigt, hinterher gezogen und am Schiff mit dem Kran eingeholt. Mit dem Schiff ging es weiter und vorbei an der Sagdleq-Insel mit dem 1000 mtr. aus dem Meer ragenden Avguarfik Felsen, auf dem sich viele Vögel eingenistet haben. Kurz darauf erreichten wir den nördlichsten Punkt unserer Reise. Die genaue Position war: 70°58`51 Nord und 52°20`49 West.
Saqqaq (Sonnenseite)
Das Schiff konnte nicht an der Hafenmauer anlegen, sodass die Ausschiffung wieder mit dem Schlauchboot erfolgte. Die Tour führte zu einem kleinen idyllischen Fischerort mit Einsicht in das tägliche Leben der Bewohner. Fließendes Wasser gibt es in dieser Region noch nicht . Man schmilzt sich eben einen kleinen Eisbrocken. Viele Motorschlitten sowie Hundeschlitten parkten bis zum Einbruch des Winter vor den Häusern.
Eqip Sermia Gletscher
Ein Höhepunkt der Reise war sicher der beeindruckende Gletscher Eqip Sermia, der auf einer Gesamtlänge von ca. 7 km direkt in das Meer mündet. Mit den Schlauchbooten fuhren wir entlang der bis 100 m hohen Eiswand. Unter dem Boot schrappte das Eis und die nicht untergehende Sonne beleuchtet die Wand und die davor schwimmenden Eisberge.
Mitternachtssonne auf dem Weg nach Illulissat
Der Himmel war klar und auch am Horizont nur wenig Wolken. In dieser Nacht konnten wir dann das überwältigende Naturschauspiel der Mitternachtssonne erleben. Die Sonne zieht langsam in Richtung Horizont, gleitet darüber hinweg und steigt langsam wieder auf.
Die Sonne steht über dem Horizont.
Es ist Null Uhr, Null Minuten und Null Sekunden
Einige Zeit später:
Die Sonne zieht langsam über den Horizont und steigt wieder
Ilulissat (Eisberge)
Nach Ankunft in dieser Stadt, der drittgrößten in Grönlands, auch als „heimliche Hauptstadt“ bezeichnet, informierten wir uns bei einem Stadtrundgang über das Leben in diesem Bereich. Die Stadt lebt von der Krabben- und Heilbuttfischerei. Aber auch einige Souvenierläden lassen erkennen, dass man sich bereits auf Touristen eingestellt hat. Um einen Überblick zu erhalten, entschieden wir uns zu einen Rundflug mit dem Hubschrauber über die gewaltigen Eismassen des Fjordes, mit Zwischenlandung direkt an der Abbruchkante des Gletschers. Anschließend führte uns eine Wanderung zu den Eisbergen im Fjord. Im Hintergrund lag der vom Hubschrauber aus gesehenen und imposante Jakobshavn-Gletscher, der hier ins Meer mündet. Er ist der produktivste der Welt, und ständig kalben enorme Eismassen in den Eisfjord. Einige Tage vorher muss er besonders aktiv gewesen sein, denn der Fjord war voll Eisberge. Nach der Rückkehr zum Hafen ging es nochmals mit einem Boot durch die Eisberge. Zwischen den Eisbergen fischten einige Grönländer von Booten aus.
Færinge Nordhavn
Einige Seemeilen nördlich des Søndre Strømfjord, an dessen Ende sich der Flughafen Kangerlussuaq befindet, liegt Færinge Nordhavn. Mit den Schlauchbooten wurden wir angelandet. Das weite Tal war war ein beliebtes Rentierjagdgebiet. Davon zeugen mannshohe Schutzstände und Fleischdepots aus aufgeschichteten Granitquadern, überwachsen mit jahrhundertealten Flechten und Moosen. Auf einer Wanderung durch die arktische Moränenlandschaft erhielten wir einen Einblick in die mittelgrönländische Flora und Fauna. Aber auch Mücken hatten hier ihr besonders Einsatzgebiet. Sofern man sich jedoch durch Netze oder Chemie geschützt hattet, waren sie kein Problem.
Kangerlussuaq (großer Fjord)
Der Bereich besteht vornehmlich aus dem Flughafen mit seinen Nebengebäuden und einigen Hotels, die aus Containerhäusern der vor einiger Zeit dort stationierten Amerikaner bestehen. Für uns war geplant, nach der Schiffsreise von Kangerlussuaq aus noch Touren zum Festlandeis und ins Gebiet der Ren-Tiere und Moschusochsen zu machen und abends den Rückflug nach Kopenhagen anzutreten. Am Vortag, noch auf dem Schiff wurde uns mitgeteilt, dass der Flug überbucht war. So wurden Freiwillige gesucht, die einen Tag später fliegen wollen oder können. Die Übernahme der Kosten für Verpflegung und Unterkunft, sowie eine Entschädigung, wurde von der SAS zugesagt. Wir waren bereit und haben es nicht bereut. So hatten wir genügend Zeit, zusätzlich nochmals eine Wanderung zu unternehmen.
Alles wurde ein voller Erfolg. Hinzu kam, dass der Rückflug jetzt tagsüber erfolgte. So hatten wir bei klarer Sicht aus dem Flieger die schönste Aussicht auf das Festlandeis, auf die Fjorde und die Abbruchkanten der Gletscher. Am nächsten Morgen ging es dann von Kopenhagen nach Düsseldorf.
Fotos: Wolfgang Fiedler, Kamera: Nikon F 3, Film: Kodak Chrom 100