Reisebericht Meeresbiologische Exkursion zum IFMB Brunsnaes, Dänemark 2004
Ein Bericht von Naemi Reymann
Fotos von Rolf Dobberstein, Wolfgang Fiedler, Naemi Reymann und Harald Meisner
Brunsnaes ist so, wie ich mir immer Astrid Lindgrens Bullerbü vorgestellt habe das Örtchen liegt zwar nicht in Schweden, sondern nur kurz hinter der deutschen Grenze in Dänemark und Sprache und Geld sind eindeutig dänisch, aber ansonsten könnte es schon gehen:
Brunsnaes ist ein beschaulicher, kleiner Ort – am Hang gelegen in Sichtweite das Wasser, eine große Straße umsäumt von bunten, hübschen Häusern und gepflegten Gärten. Bewohnt von freundlichen Menschen, die hin und wieder den Weg kreuzen und einander grüßen.
Der einzige Supermarkt des Ortes ist beim Blick aus dem Küchenfenster schnell einzusehen: Er besteht aus einem Regal vor einem Wohnhaus, bezahlt wird in einen Holzkasten. Der Ort besitzt ein altes Café (den Kro) und einen Imbiss (den Fjord-Grill) mehr braucht man nicht. Es ist hier so ruhig, dass man ohne Sorgen seine Sachen draußen hängen lassen kann. Und so ruhig, dass man ungestört den Knäckebrotschmuggel für Dänemark planen könnte hätte sich nicht jemand an diesen unspektakulären Ort niedergelassen, um etwas Besonderes aufzubauen.
Bei diesem Mann handelt es sich um Dr. Claus Valentin. Er hat im Jahre 1988 das Institut für Marine Biologie (IfMB) als Forschungs- und Lehreinrichtung gegründet. Valentin ist Meeresbiologe, langjähriger Mitarbeiter am Zoologischen Institut der Universität Kiel, Buchautor, Forschungstaucher und VDTL-Tauchlehrer. By the way: Forstet man seine Geo-Sammlung durch, so wird man ihn auch dort finden: Er war der Erste, der das neue Bild der Erde der nördlichen Meere, speziell der Ostsee gezeigt hat!
Claus Ziel ist es, in seinem Ausbildungszentrum den Interessierten die Meeresbiologie näher zu bringen. Diese Gruppen bestehen z.B. aus Schülern, Studis, Weiterbildungsleuten und natürlich Tauchern. Mit einer großen Sorgfalt und Geduld erklärt er uns den Lebensraum Ostsee in norddeutscher Art und mit seiner typischen Ausdrucksweise (wer schon einmal etwas über verhunzte Seesterne gehört hat, weiß, was ich meine) – mit und ohne Lichtbilder. Ja, richtig gelesen, Vorträge!
Wir waren als Verein nämlich nicht nur für eine Sommerwoche in den Norden gefahren, um uns von einem hübschen Haus aus bei feinem Wetter die schönen Schiffe, wie z.B. die Krusenstern, anzuschauen.
Nein, jede Menge Tauchgänge und Untersuchungen und zum Schluss ein VDST-Brevet für Meeresbiologie standen auf dem Programm!
Ganz im Zeichen von Rathkes Schlammtrichterkrebs, dem Wappentier des IfMB, machten wir uns auf, das Ökosystem Meer näher kennen zu lernen. Gut erinnere ich mich noch an Reaktionen vor der Reise, als ich erzählte, dass es zum Tauchen in die Ostsee ginge… Brr, da ist es doch nur kalt und dunkel hieß es ich würde sagen: Teilweise aber auf jeden Fall interessanter als viele meinen! Jeden Tag entdeckten wir diese Wasserwelt weiter und das nach einem bestimmten System:
Morgens gab es im Seminarraum eine Einführung zum jeweiligen Lebensraum – als Warm-Up dann zogen wir nebenan in der Station die Tauchsachen an und marschierten die knapp 50 Meter runter an die Mole zum Boot. Knapp 12 Leute passten auf die Diastylis Kielschweine und Bootshunde mussten an Land bleiben! Die Routen waren verschieden: Mal zur Boje Eins bei „Holnis Haken“ mit Blick auf die Insel Drei bis hin zu etwas schwierigeren Zielen, wie z.B. dem schönsten Schiffswrack der Ostsee, der Inger Klit geortet per GPS und Echolot. Bei den Tauchgängen gab es immer einer Gruppe mit besonderem Forschungsauftrag: Die Probensammelgruppe. Die hatte dafür zu sorgen, dass wir auf dem Rückweg mehr Lebewesen als vorher an Bord hatten, neben unzähligen Kleinstlebewesen z.B. Seesterne, Seescheiden, Strandkrabben, Miesmuscheln, eine Seenadel, usw.
Wir und die anderen Lebewesen gewannen daraufhin im Seminarraum einige neue Erkenntnisse, indem wir sie und sie uns betrachteten. Wir nahmen dazu noch Mikroskope und Binokulare zu Hilfe. Wer sich dabei über wen mehr gewundert hat, habe ich nicht ganz herausfinden können. Neue Arten wurden entdeckt (siehe Bericht), und selbst Rathkes Schlammtrichterkrebs gab sich die Ehre. Mit der Ausnahme von einigen Strudel- und Borstenwürmern, die das Pech hatten, irgendwie von Seenelken und rosen gefressen zu werden (Krimi ist nichts dagegen!) , fanden das wohl auch alle prima…
Markus gab uns zu diesen Untersuchungsabschnitten immer wieder weiteres Hintergrundwissen mit auf den Weg und abends war die Kreide-Tafel voll mit den von uns bestimmten Arten.
Bestimmte Arten der anderen Art, befanden sich dann abendlich etwas weiter weg von der Station: Die Speisentafel meist im Garten vor dem schönen Haus. Da es neben der Probensammelgruppe auch eine Essensgruppe existierte, kamen wir in den Genuss neuer Speisen oder zumindest der Erfahrung, wie es ist, auf einen Schlag 15 hungrige Leute zu verpflegen.
Umsäumt von tollen Rosenbüschen bot das Haus 12 Leuten eine Bleibe, weitere kamen in der Nachbarschaft unter. Denn so, wie sich Claus um die Lebewesen in der Ostsee kümmert so liebevoll kümmert sich seine Frau um das schöne dänische Ferienhaus und seinen wundervollen Garten! Es bot uns für die Woche eine gemütliche Bleibe mit 3-Bettzimmern, zwei Bädern, gut ausgestatteter Küche und selbst einem Sat-TV. Von letzterem machten wir kaum Gebrauch, wenn man von einem spannenden Urlaubs-Tauch-Video absieht, denn viel interessanter war es, sich die Tageseindrücke in Form von unzähligen Tauchfotos als Diashow auf dem Laptop anzusehen.
Neben den normalen Bio-Tauchgängen waren dies z.B. auch Bilder von den Nachmittags-Spaziergängen in der Seegraswiese und vor allem von der Mole, die überraschenderweise einen feinen Aquariumblick für uns parat hatte. Faszinierend auch der Ausflug zum Wrack: In 20 Metern Tiefe liegt die Inger Klit und sie dient nun nicht mehr als Motorschiff, sondern als Bleibe für unzählige Seenelken- und rosen und leider auch von Haarquallen mit viel zu langen Nesselfäden… übrigens eine Erfahrung, auf die ich gerne verzichtet hätte: wie es sich anfühlt, wenn sich ein Faden ums Mundstück herumgewickelt hat… urgs!
Harmlos dagegen so mancher Krebs, der uns dreist als Mittauchgelegenheit benutzte, indem er sich an den Tauchanzug klammerte…
Toll war auch der Nachttauchgang entlang an der fetten Eisenkette der Boje Eins, unten auf dem Grund erwarteten uns Rotbarsche und die eine oder andere Flunder. Alternativ bot sich in der Nähe des Campingplatzes „Gammelmark“ noch ein weiterer netter Tauchplatz für Nachttauchgänge. Dank Evelins genialem Leucht- und Lagerfeuer gab es auch immer wieder einen Weg zurück.
Was haben wir sonst noch gemacht außer Tauchen? Tauchsachen an- und ausziehen, reinigen und trocknen lassen und nachts wurde der Delfin (bzw. dessen Sternbild) an einem wahnsinnig schönen Sternenhimmel betrachtet. Das Sternbild der Nessie gilt es übrigens noch zu finden, Daniel!
Tagsüber gab es auch kleine Exkursionen in die Nachbarstadt Broager. Und am Samstag fuhren wir in die Große Stadt nach Sonderburg. Und wie könnte es auch anders sein selbst da zog es uns mal wieder Richtung Wasser. Typisch Tauchverein!
Ebenfalls so nah wie möglich war auch das Abschlussessen: Zusammen mit Claus tafelten wir lecker im Fjord-Grill und ließen die schöne Woche Revue passieren und schmiedeten neue Pläne.
Wir haben z.B. ausgetüftelt, wie man den Knäckebrotschmuggel in Dänemark optimiert und wo es beim nächsten Mal hingehen soll, z.B. auf die zweite Tauchbasis des IfMB: Giglio in der Toskana! Wo die Fische etwas bunter sind und hoffentlich die Nesselquallen fern! Und man vielleicht auch gut schmuggeln kann, wir dachten da an Teigwaren aus Hartweizengrieß.
Auf ein Wiedersehen mit Claus und los zu weiteren, neuen Unterwasserwelten!
Einen Abriss über die biologischen Erkenntnisse des Kurses von Daniel Reymann gibt es hier als PDF zum Download.