Sudan 2011

 

 

Sudan – Rotes Meer – 2011
Renate und Peter Teichmann

Eigentlich waren wir auf die Boot 2011 gegangen, um kurzfristig noch eine Tauchreise für März zu buchen, ein Schnäppchen sollte es nach Möglichkeit sein. Das Ziel Malediven schwebte uns vor. Aber die Enttäuschung war groß. Nicht ein Anbieter konnte uns konkret eine Reise anbieten. Zu viel erwartet bei einer Destination, der es offenbar so gut geht, dass Anfragen nur bei fester Buchung bearbeitet werden.
Letztlich hat uns keines der nach Tagen eingegangenen Angebote gefallen: die Kosten waren einfach zu hoch. Also doch wieder zum Roten Meer?
Am meisten reizte uns die sudanesische Küste. Die Anfrage bei Spiro-Sub wurde erfreulich schnell beantwortet. So buchten wir 2 Wochen, eine davon auf der Andromeda (auf dem Bild oben rot), die andere auf der Sherazade (weiß).
Der Hinflug sollte von Düsseldorf über Zürich und Kairo nach Port Sudan gehen. Als die Maschine in Düsseldorf zur Startbahn rollte, wurde uns jedoch mitgeteilt, dass die Maschine wegen eines Defekts in Folge der vorher vorgenommenen Enteisung umkehren müsse, alle Passagiere würden auf andere Maschinen umgebucht. Als wir später alle mit vollständigem Gepäck an den beiden einzigen Umbuchungsschaltern der Lufthansa uns die Beine in den Bauch standen, hatten wir größte Bedenken, ob wir die nur einmal pro Woche fliegende Maschine von Kairo nach Port Sudan um 18 Uhr überhaupt erreichen können. Die Rückfrage beim Veranstalter ergab nach bangen Minuten: ja, die Maschine von Kairo habe heute Verspätung, wir sollten es probieren. Nun ging es über Frankfurt nach Kairo, dort alles Gepäck aufnehmen, Atef von der örtlichen Agentur regelte schnell alle Formalitäten und dann ging es im Laufschritt zum Flughafenbus, der uns zum anderen Teil des Flughafens bringen sollte. Ohne die tatkräftige Unterstützung von Atef hätten wir die Maschine nach Port Sudan nicht erreicht. Der Check-In Schalter hätte zu der Zeit bereits geschlossen sein sollen. In der Eile hatte er dann allerdings vergessen, uns die Rückflugtickets mitzugeben. Die hat die örtliche Reiseagentur in Port Sudan dann besorgen müssen. Mitten in der Nacht erreichten wir das Schiff: geschafft.

Die Andromeda ist ein Schiff, das einigen Komfort zu bieten hat. Das Tauchdeck ist hervorragend konzipiert. Jeder hat einen festen Platz auf einer Holzbank, wo alle Sachen bis auf die Flossen in Griffweite sind. Auch bei Seegang sitzt man mit voller Ausrüstung dort und wartet den Zeitpunkt zum Besteigen des Schlauchboots ab.

Jetzt im Frühjahr fahren die Schiffe alle nach Norden, die Andromeda fuhr bei glatter See sogar recht weit, so dass wir bereits beim Check-Tauchgang die einzigen waren. Die Erwartungen waren nicht groß, aber wir nahmen schon mal die Filmkamera mit, um auch sie zu checken. Umso mehr waren wir aus dem Häuschen, als bereits kurz nach dem Abtauchen ein paar Delphine kamen und uns während des halben Tauchgangs begleiteten! Das sieht man nicht alle Tage, und es sollte auch die einzige so nahe Begegnung mit Delphinen in diesem Urlaub bleiben.

20 Tauchgänge an 6 Tauchtagen + ein Tag Entgasen: Das setzt ein perfektes Timing und eine gute Abstimmung zwischen Kapitän und den Tauchguides voraus. Das war gegeben. Man ging sogar auf die Wünsche der Gäste ein. Die Mannschaft der Andromeda war sehr hilfsbereit und ging vorsichtig mit dem Equipment um, was UW-Fotografen sehr zu schätzen wissen. Gegen geringen Aufpreis konnte ich auch mit einer 15 l Flasche tauchen. Da wurden Erinnerungen an frühere Tauchgänge von Bord der Somaya wach. Vor dem Frühstück starteten wir bereits zum ersten Tauchgang, es blieb wenig Zeit zum Lesen oder Sonnen. Wir waren ja zum Tauchen hergekommen . Super: nach jedem Tauchgang stand für jeden ein Glas Orangensaft auf dem Tauchdeck!

Was wir unter Wasser sahen? Gleich vorweg: die erhofften Hammerhaischulen sahen wir nicht. Einzelne Tiere konnten wir in der Tiefe beobachten, aber die Aufenthaltsdauer in 40 m Tiefe ist einfach nicht lang genug, und der lange Rückweg über das Plateau bis zum Ausstieg musste ja auch noch zurückgelegt werden. Glücklicherweise hatten wir in dieser Woche kaum Strömung.

Die Tauchgründe in 20 m Tiefe –meist gab es dort ausgedehnte Plateaus – waren voller Leben: Schwärme von Barakudas und Großaugenmakrelen waren fast überall zu sehen, Riffhaie patrollierten an der Riffkante entlang, so war die Unterwasserwelt wirklich sehenswert. Häufig gab es auch Süßlippen, Gelbstreifenschnapper und vieles andere mehr. Wollte man alles aufzählen, was man erkannt hat, es würde den Rahmen dieses Reiseberichts bei weitem sprengen. Und erst die Tiere, die man nicht richtig erkannt hat Einzig die Nacktschneckenfans kamen etwas zu kurz, immerhin zeigten sich ein paar Höckerschnecken, einige Seehasen und eine Fadenschnecke, die wir sonst nur von Indonesien kannten. Überraschenderweise gab es weder Schildkröten noch Mantas bei all unseren Tauchgängen.

Wer in den Sudan fliegt, der hat bei Sha’ab Rumi Gelegenheit, auf den Spuren Jaques Cousteaus zu tauchen.

Dort hat er vor knapp 50 Jahren unter Wasser geforscht. Heute kann man noch die Hinterlassenschaften der ständigen Unterwasserstation Precontinent II sehen: die große Kuppel, in der er das runde Forschungs-U-Boot vorbereiten und besteigen konnte, die Garage für die Unterwasserscooter und die Haikäfige.

Wir hatten auch Gelegenheit, den Leuchtturm von Sanganeb zu besteigen: ein herrlicher Rundumblick auf das einzige Atoll des Roten Meeres in luftiger Höhe belohnte uns für die Mühen des Aufstiegs.
Wracktauchgänge gab es auch. Das Toyota-Wrack vor Sha’ab Suedi liegt kieloben am Hang., Interessant sind die bewachsenen und von Fischen gern aufgesuchten Autos auf dem Riffdach.

 

Nach wie vor bietet das andere Wrack, die Umbria, sehr viel mehr Möglichkeiten. Sie ist vor 100 Jahren in Hamburg gebaut worden und wurde im zweiten Weltkrieg vor Port Sudan von der eigenen italienischen Besatzung versenkt, um dem Zugriff der Engländer zuvorzukommen. Sie ist 156 m lang und liegt auf der Seite in 5 bis 35 m Tiefe. An mehreren Stellen kann man relativ einfach in das Wrack hineintauchen, am sichersten natürlich mit einem der Tauchguides. Neben der Bombenfracht, die immer noch dort lagert, kann man in der Finsternis die Backöfen in der Küche sehen, auch ein paar PKWs sind unschwer zu erkennen, und in endlosen Gängen gibt es ein schönes Lichtspiel durch die Öffnungen in der Bordwand.

Wer mit der Andromeda fährt, hat abends nach dem letzten Tauchgang und dem reichhaltigen Abendessen die Möglichkeit, ein wenig in der Sisha-Bar zu entspannen.

Am tauchfreien letzten Tag vor dem Rückflug (die meisten Gäste sind nur eine Woche dort) bot uns der Kapitän an, den Fischmarkt und den Gemüsemarkt in Port Sudan zu besuchen. Das haben wir gern mitgemacht. Entgegen unseren Befürchtungen haben wir auf dem Fischmarkt nur ein zwei, drei Haie gesehen. Sehr appetitlich anzusehen war der Obst- und Gemüsemarkt mit seinem bunten Treiben.

Am nächsten Tag siedelten wir um auf das Nachbarschiff, die Sherazade. Interessant, mal beide Schiffe direkt vergleichen zu können. In dieser zweiten Woche frischte der Wind allerdings so stark auf, dass alle Schiffe nicht so weit nach Norden fahren konnten, denn dort gibt es keine sicheren Liegeplätze für die Nacht.

Die Sherazade hat im Gegensatz zur Andromeda nur einen zentralen Raum, der gleichzeitig als Essraum und als Aufenthaltsraum dient. Er ist durchaus liebevoll gestaltet, bietet aber nicht so üppig viel Platz. Wir empfanden die Maschinengeräusche als leiser. Eine sehr freundliche Bedienung sorgt stets für das Wohlbefinden der Gäste, und das nicht nur bei den Mahlzeiten. Die Küche bietet auf beiden Schiffen ein sehr reichhaltiges Angebot, in der ersten Woche in Form eines Buffets, in der zweiten Woche bei Tisch serviert. Die Kabine ist vergleichbar mit der auf der Andromeda, die Dusche gibt reichlich Wasser, was man von unserer Kabine (aber nur von unserer) auf der Andromeda nicht sagen konnte, denn dort gab es regelrechte Wechselbäder, mal zu heiß, mal zu kalt. Und großes Plus: es gab auf der Sherazade ein Handtuch mehr, ein kleines Detail, aber bei so viel feuchter Haut freut man sich spätestens nach zwei Tagen über ein halbwegs trockenes Handtuch.
Das Tauchdeck bot mit seinen leichten Plastikstühlen und dem Pulk an Tauchkisten nicht den soliden Komfort, den wir in der ersten Woche genossen. Alles wuselte durcheinander, bei dem schwankenden Schiff nicht so angenehm.

Unsere Tauchguides Maria und Gabriel auf der Sherazade versuchten, u.a. mit Rudeltauchen die nötige Tauchsicherheit zu gewährleisten. Wir sind es gewohnt, eigenverantwortlich zu tauchen, und als UW-Filmer benötigen wir einfach mehr Freiheiten, hier und dort zu verweilen. Das mussten wir uns erst mit einer hitzigen Diskussion erkämpfen. Das gab es auf der Andromeda nicht. Da gab es von Vornherein Verständnis für unsere Kundenwünsche. Die Tauchguides Ramon und Isha boten an, ihnen zu den Highlights zu folgen, aber wer das nicht wollte, konnte auch eigene Wege gehen, insbesondere wenn diese nicht so tief lagen (wo das Licht nicht mehr zum Filmen ausreichte).

Wie schon erwähnt, hatte der Wind in der zweiten Woche aufgefrischt. Das führte immer wieder zu Abstimmungsschwierigkeiten zwischen Kapitän und Tauchguides. Mehrmals kam es vor, dass ein anderer Tauchplatz als angekündigt angefahren wurde. Auch wurde zu bester Tageszeit stundenlang gefahren statt zu tauchen. Immerhin, wir kamen in der zweiten Woche auf 16 Tauchgänge. Wer morgens gern als erste Gruppe am Riff sein will, der sollte nicht mit der Sherarzade fahren. Aber das ist bekanntlich Geschmacksache.
Zwei Wochen Sudan bedeutet: man muss wohl damit rechnen, in der zweiten Woche häufig an denselben Tauchplätzen zu sein. So viele lohnenswerte Tauchplätze scheint es nicht zu geben, und die Auswahl wird noch einmal drastisch eingeschränkt, wenn das Wetter nicht mitspielt. Aber das ist kein Beinbruch, denn kaum einer wird behaupten können, nach drei Tauchgängen schon das ganze Riff zu kennen. Wir hatten insgesamt 15 Tauchgängen vor Sha’ab Rumi.

Als besonderes Highlight hatten wir an Bord der Sherazade noch die Möglichkeit, einen kurzen Abschnitt der Südtour mit Sha’ab Jumna und Sha’ab Ambar kennenzulernen. Der erste Tauchplatz bot Steilwandtauchen vom Feinsten bei guter Sicht.
Der Rückflug ist verglichen mit der ägyptischen Rotmeerküste lang. Samstag morgens verlässt man nach einem tauchfreien Tag das Schiff, und Sonntag Abend ist man erst zu Hause. Die notwendige Zwischenübernachtung in Kairo (Iberotel) erwies sich auch bei den derzeit unruhigen politischen Verhältnissen als problemlos. Auf dem Flughafen von Port Sudan trafen wir zwei ungarische Fotoprofis wieder, die auch die zweite Woche auf der Andromeda verbracht hatten.

 

Übereinstimmend kamen wir zu dem Schluss, dass die erste (ruhige) Woche die bessere war.
In Summe ist das Tauchen im Sudan durchaus eine Reise wert. Bei welchem Schiff unsere Präferenzen liegen, das ist wohl deutlich geworden. Das fehlende Handtuch kann man schließlich von Zuhause mitnehmen .